Die Produkte, die Dr. Martin Theil mit seinem Team im Driveline Technology Centre von bp in Hamburg entwickelt, sind unsichtbar. Seine Zielsetzung ist: „So unscheinbar wie möglich. Wenn der Nutzer das Öl nicht spürt, haben wir einen idealen Job gemacht.“ Die Schaltung funktioniert alles andere als ‚reibungslos‘ – die richtige Reibung ist das A und O für das Getriebeöl.
Der Produktentwickler besitzt natürlich einen ganz anderen Blickwinkel auf die Dinge. Als Chemiker erfreut er sich an Prozessen, von denen die meisten Menschen nicht einmal wussten, dass es sie gibt. Sei es aus Unkenntnis oder aus Desinteresse. Wissen lässt sich aber erarbeiten und Interesse für seine Sache weckt Martin Theil durch sein gesamtes Auftreten. Seine Begeisterung steckt an.
„Mir hat es schon immer Spaß gemacht, für neue Anwendungen die richtige Lösung zu finden. Daher habe ich Chemie studiert“, sprudelt es förmlich aus ihm heraus. „Und wenn mir das gelungen ist, dann kann ich hingehen und sagen: Das hat noch keiner vor uns gefunden, aber wir haben es jetzt geschafft und umgesetzt. Dann sehe ich Autos auf der Straße fahren und denke: mein Baby!“ Und dabei zeigt er auf die Autos, die unten auf dem Hof stehen. Da sind alle Marken dabei, die jeder Autoliebhaber kennt und schätzt. VW, Audi, BMW, Ford, Opel und natürlich auch Mercedes, um nur einige zu nennen – alles große, klangvolle Namen in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Die Hersteller von Getrieben fordern uns täglich erneut heraus. Denn genauso schnell, wie die Entwicklung neuer Antriebstechnologien voranschreitet, muss ein neues Schmieröl her. „Früher haben wir Schmierstoffe formuliert, die funktionierten gleichzeitig in verschiedenen Anwendungsbereichen“, sagt Martin Theil. „Während diese universellen Produkte früher bis zu zwanzig Jahre auf dem Markt waren, gehe ich davon aus, dass die anwendungsspezifischen Produkte, die wir heute entwickeln, das nie mehr schaffen werden.“
Bei der Suche nach geeigneten Schmierstoffen gelangen die Entwickler immer öfter in technische Grenzbereiche. „Unsere neuen Schmiermittel werden immer dünner, da so Verluste reduziert werden und wir dem Automobilhersteller helfen können, seine Ziele zur Kraftstoffeffizienz zu erreichen. Dadurch steigt jedoch auch das Risiko, dass es zu ungewolltem Verschleiß im Getriebe und damit zu Fehlfunktionen bis zum Ausfall kommen kann.“
Bei einer Entwicklungszeit für ein neues Produkt von mindestens fünf bis teilweise acht Jahren käme bei einigen Menschen der Spaß dann irgendwann abhanden. Doch nicht bei Martin Theil. Denn das sind genau die Herausforderungen, die der Chemiker immer gesucht hat und ihn in seiner Arbeit ständig vorantreiben. Er gibt einen Einblick in die Entwicklung von Schmiermitteln für ein Doppelkupplungsgetriebe. Diese Antriebstechnologie ist im Zuge einer immer weiter verbesserten elektronischen Getriebesteuerung zu einem echten Renner geworden. Jeder Automobilhersteller hat so ein Getriebe oder überlegt, künftig auf diese moderne Technologie umzusteigen.
Die Funktionsweise einer Doppelkupplung lässt sich relativ einfach beschreiben. Es handelt sich dabei um ein Handschaltgetriebe mit zwei Kupplungen, die die Radsätze auf zwei parallelen Wellen zum Einsatz bringen. Die elektronisch gesteuerte Hydraulik der Kupplungen ermöglicht automatische Schaltungen im Bereich von Tausendstelsekunden. Dadurch entsteht ein angenehmes, harmonisches Fahrgefühl – das macht die ganze Sache für die Entwickler aber kompliziert. „Warum? Ganz einfach“, erklärt Martin Theil, „weil der Hersteller natürlich das Beste aus beiden Welten möchte. Die besten Eigenschaften im Zusammenspiel mit einem Handschaltgetriebe und die besten Eigenschaften beim Betrieb einer Automatik.“
Leider ist es in der Praxis aber so, dass das, was für eine geeignete Schmierung der Getriebeverzahnung sorgt, nicht gleichzeitig auch für den Betrieb der Kupplungssysteme optimal ist. „Es ist technisch kaum möglich, einen hohen Verschleißschutz für den mechanischen Part zu verlangen und gleichzeitig die Oxidationsstabilität möglichst hoch zu halten, wie es für Automatikgetriebe typischerweise nötig ist, um auf Dauer die Reibwerte in der Kupplung stabil zu halten“, veranschaulicht der Chemiker.
Bei solch kniffligen Angelegenheiten holt er sich gern Leute mit ins Boot, die sich eigentlich mit ganz anderen Problemstellungen beschäftigen. „Das habe ich in meiner Zeit in Italien gelernt. Da lösen sich die Probleme an der Kaffeemaschine. Wenn ich dort mit einem Kollegen über eine Entwicklung gesprochen habe, wo wir an einer bestimmten Stelle nicht weitergekommen sind, kam die zündende Idee sehr oft von einem Kollegen, den ich eigentlich nicht zu einer regulären Besprechung eingeladen hätte.“ Ungewöhnliche Aufgaben erfordern eben manchmal ungewöhnliche Lösungen.
Die so gefundenen Lösungsansätze werden dann in enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren aus dem Castrol eigenen Prüfstand und den Entwicklungsingenieuren unserer Kunden im so genannten ‚Co-Engineering- Prozess‘ weiter vertieft und auf Praktikabilität hin untersucht.
Martin Theil tauscht sich sehr oft mit den Entwicklern in anderen Ländern aus. Er steht in engem Kontakt mit den Kollegen in China, wo ein neues Entwicklungslabor von bp entstanden ist. China ist bei der Fahrzeugtechnologie ein Wachstumsmarkt. Daher ist bp mit ihren Schmierstoffen direkt vor Ort vertreten. Das Entwicklungslabor steht künftig unter der Leitung von chinesischen Fachkräften und Entwicklern. Damit sie mit den Qualitätsstandards bei bp bestens vertraut sind, hat sich Martin Theil viel Zeit für die chinesischen Kollegen genommen und sich vor Ort selbst ein Bild gemacht. Ihm war dabei wichtig, die chinesische Kultur anzunehmen und nicht auf die deutschen Gepflogenheiten zu bestehen. „Das hätte auch gar nicht funktioniert. Ich denke, wir haben den richtigen Ansatz gefunden, denn immer, wenn mein chinesischer Kollege mich anruft, meldet er sich mit ‚Moin, Moin‘ und ich antworte mit ‚Nǐ hǎo‘“, lacht Martin Theil. Er weiß eben sich und andere zu begeistern.