Seit 2022 produziert bp in der Raffinerie Lingen nachhaltigere Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, kurz: SAF) im industriellen Maßstab. Dabei kommen biogene Reststoffe wie gebrauchtes Speiseöl oder die Carinata-Pflanze zum Einsatz. Die bestehenden Raffinerieanlagen wurden technisch so modifiziert und erweitert, dass der biogene Rohstoff gemeinsam mit fossilem Rohöl verarbeitet werden kann – ohne Qualitätsverlust. Die eingesetzten Biokomponenten ersetzen dabei direkt einen Teil des fossilen Rohöls in der Verarbeitung und leisten so einen unmittelbaren Beitrag zur Emissionsreduktion am Standort.
Die Methode zur gemeinsamen Verarbeitung von fossilem Rohöl und biogenen Rohstoffen in bestehenden Raffinerieanlagen nennt man „Co-Processing“. Lingen war die erste industrielle Produktionsstätte in Deutschland, die diese Methode genutzt hat, um SAF im industriellen Maßstab herzustellen.
Der Weg zur SAF-Produktion war lang: Erste Versuche mit Biokomponenten starteten bereits 2002, doch es fehlten noch entsprechende politische Rahmenbedingungen – und auch die Technik war noch nicht so weit. 2018 konnte die Technologie dann richtig durchstarten: Als erste Raffinerie in Deutschland wurde Lingen für das Verfahren zertifiziert. Mittlerweile liegt der Anteil biogener Einsatzstoffe fast kontinuierlich bei fünf Prozent – mit dem Ziel, diesen Anteil Schritt für Schritt weiter auszubauen.
SAF-Herstellung durch Co-Processing
Für die Raffinerie ist Co-Processing durchaus ressourcenintensiv. Viele Biokomponenten sind nicht so rein wie herkömmliches Rohöl und verursachen einen deutlich höheren Aufwand – etwa durch häufigere Filterwechsel, zusätzliche Laboranalysen und komplexere Prozesssteuerung. Zudem muss jeder einzelne Einsatzstoff vorab zertifiziert werden, damit er als nachhaltiger Biokraftstoff angerechnet werden darf. Um den Betrieb dennoch stabil zu halten, sind bereits weitere Maßnahmen geplant: Neben einem zweiten Biotank sollen auch zusätzliche Online-Messsysteme und ein zweiter Biofilter zum Einsatz kommen. Letzterer ermöglicht es, den Biobetrieb auch während eines technisch notwendigen Filterwechsels konstant aufrechtzuerhalten.
Die EU hat mit der ReFuelEU Aviation Initiative einen verbindlichen Rahmen geschaffen, um den Hochlauf von SAF zu fördern. Seit Januar 2025 gilt beim Betanken an europäischen Flughäfen eine verpflichtende Beimischungsquote von zwei Prozent, die bis 2050 auf 70 Prozent steigen soll. Auch nationale Initiativen wie die Umsetzung der RED III-Richtlinie sollen Investitionen in SAF und andere fortschrittliche Kraftstoffe erleichtern. Der Verband en2x und das Deutsche Verkehrsforum setzen sich zudem für stabile Preisperspektiven ein, um den Markthochlauf zu beschleunigen.
Ein wichtiger Fortschritt: Bislang war die Verarbeitung von Biokomponenten im Co-Processing durch eine internationale Norm auf fünf Prozent begrenzt. Im Januar 2025 wurde dieses Limit auf 30 Prozent angehoben – ein Erfolg, für den sich bp auf allen Ebenen stark gemacht hat. Die Raffinerie in Lingen steht bereit, die Mengen weiter hochzufahren. Technisch sind jedoch aktuell noch Herausforderungen zu bewältigen, sobald der Anteil über zehn Prozent hinausgeht.
bp hat sich zum Ziel gesetzt, das Co-Processing weiter auszubauen und neue biogene Einsatzstoffe zu testen. Seit Anfang 2023 hat die Raffinerie insgesamt fünf Testläufe mit unterschiedlichsten biogenen Einsatzstoffen durchgeführt. Im Herbst 2024 wurde beispielsweise FWO (Food Waste Oil, also Öle aus Lebensmittelabfällen) erfolgreich getestet. Dieser Feedstock könnte langfristig aus lokalen Quellen geliefert werden und so eine regionale Wertschöpfungskette ermöglichen. In Deutschland fehlt allerdings noch die erforderliche Zulassung für den Rohstoff, während dies auf EU-schon vorhanden ist.
Das aktuellste Beispiel: Der erste Testlauf mit Cashew-Nussschalenöl (CNSL). CNSL stammt aus nicht essbaren Schalen und steht somit nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie. Das erzeugte HVO (Hydrotreated Vegetable Oil, umgangssprachlich „erneuerbarer Diesel“) entsprach vollständig den Qualitätsstandards fossiler Kraftstoffe und kann als Alternative für herkömmlichen Dieselkraftstoff eingesetzt werden. Die Ergebnisse des Testlaufs werden nun intern ausgewertet, um das Potenzial für eine dauerhafte Nutzung zu bewerten.
Das Beispiel Lingen zeigt: Co-Processing ist mehr als nur eine technische Lösung. Es ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltigere Kraftstoffproduktion und ein Beispiel dafür, wie bestehende Infrastruktur innovativ genutzt und weiterentwickelt werden kann.